Dienstag, 6. Mai 2014

SCHOTTLAND | EDINBURGH | #life (look up/bewegte Körper)

ein Gespräch zwischen zwei Freund_innen vorhin: "Ich muss dir noch diesen neuen Blog zeigen!" angesprochene Person zeigt auf einen Papierstapel: "meinst du den Block?" erstmal lachen. "Nein, rich kids of instagram!" - "Was ist instagram?" (ja, wieder lachen.)
Tumblr blogs vs. Unischreibblöcke, englische Wörter, von denen kaum noch die mittlerweile eingedeutschten verstanden werden. Das Internet ist da - aber anscheinend teilweise auch nicht.
Ich mag das Internet ja mittlerweile. Wenn ich früher nicht verstanden habe, wie man chattet, vernetzt, verstehe ich jetzt immer mehr, wie man günstig Verabredungen über Internetverbindungen ohne SMS oder Anrufkosten machen kann oder wie sehr große dominante Meinungskanäle wie Tageszeitungen und Zeitschriften umgangen werden können und zielgruppenspezifische Dinge gelesen werden können.
 Macht ist produktiv, sagt Foucault, das Internet ist repressiv, sagt das Internet. Was für ein Rückschritt, was für ein stehen Bleiben, was für ein #wasteoflife! Abhängigkeiten, Bildschirme, unechte Facebookfreunde, unbewegte Körper. Lesen, Chatten und nicht mehr sprechen, Bilder von der Welt sehen und die Welt sehen um sie im Internet als Foto zeigen, das hat es mit uns gemacht. Wir lieben Medien und in diesen wird mit der Sehnsucht nach unvermittelter Wahrnehmung geworben. Und da gibt es schon wieder ein Internetphänomen, "Look Up" von Garry Turk, facebookfreunde sollten es durch den beliebten und häufig genutzten teilen-Button schon gesehen haben, sonst https://www.youtube.com/watch?v=Z7dLU6fk9QY. Mal wieder: Geräte Ausschalten und das echte Leben leben. Zum Glück wurde auch schon einigermaßen häufig darüber gelästert, deswegen muss es nicht kommentiert werden, dass ein Anti-Internet-Video, ein Internet-Hype ist und einen Typen zum Internetphänomen macht. Doch was ist bei ihm Leben? Mal wieder auf Bäume klettern, im Abspann des Videos werden laufende Kinderfüße gezeigt. Bewegung, draußen natürlich that's #life!
Lachen, Bewegung. #fun with #friends. Das ist Leben, auf dem Dach des national museums in Edinburgh. So wie die Zeitung vom Wind bewegt wird, werden die Haare bewegt. Bewegung von Außen, ist das Leben? Und welche Rolle spielt das Handy, das Internet, das das linke Mädchen in der Hand hält? Ein zeigen-Können des Lebens nach außen, nach dem man wie gewünscht die Sehenswürdigkeit besuchte.
Bewegung ist also Leben. Körperlich, physisch. Und dafür braucht man die Schuhe aus der Werbung, nur so ist #leben möglich! Man kommt nicht davon: Wer ist der Beweger? Ein Subjekt ist autonom, wenn es sich selbst bewegt und nicht bewegt wird. Wenn es selbst lebt und nicht gelebt wird.
Dann gibt es noch die Jugend. Jugend heißt leben. Weil Kinder meistens eher rumlaufen als zu sitzen und ruhig zu quatschen wie die langweiligen Erwachsenen. Diese zwei blau angezogenen Kinder wurden für ein Foto hingesetzt.
Jugend steht im Kontrast zum Alter. Die Bewegung ist so leicht möglich, ein schwebendes Springen. Gehhilfen braucht man erst später. Oder doch nicht? Und lebt man nicht mehr im Alter? Hat man gelebt? Die Jugend zu zeigen zeigt werden, kommen. Scheint Dynamik, Fließendes. Das Alter zeigt gelebt haben, Vergangenheit.
Springende Kinder, Kinder an der Leine. #Freiheit? Bewegung ist nicht an ein Alter gebunden.
Ein Kind haben bewegt, zeigt und bewegt einem ein Werden, ein Wandel im eigenen Leben.
all dies ist übrigens eine Rechtfertigung, Bilder von springenden Kindern zu posten, für die ich vor kurzem eine Phase hatte.
ganz kurz: Wenn Bewegung Leben ist, dann lebe ich mehr, während ich den Müll raustragen gehe, als wenn ich auf meinem Handy einen Beziehungspartner finde. Das oben genannte Look Up zeigt außerdem, dass man ohne Handys und das Internet ein echtes Leben leben könnte. Das wäre: hetero-Beziehung eingehen, Heiraten, Haus, Kinder, Opa sein. Altersstufen, Fortpflanzung, romantische heteronormative Ideale und Ideologien fortführen. Ist das nicht Müll? Als wenn es außerhalb des Internets stattfinden würde. Geht's noch ohne? Lachen wir nicht die aus, die es nicht kennen?
Distanz findet auch wegen traditionellen Medien wie dem Buch statt. Oder einfach, weil man keinen großen Grund hat, miteinander zu reden.
Aber warum, und ich kann's nicht oft genug sagen, WARUM wird LEBEN immer nur als Bewegung und Entwicklung des Körpers gesehen? "Du hast kein Leben". Ich bin nicht nur mein Körper. Ich tue ziemlich viel am Tag, und ich lebe auch, auch wenn das andere ungerne ernst nehmen. Geist, Seele, Gehirn. Scheinbar die Steuerungszentrale des Körpers, die Instanz, die den Körper bewegt. Warum kann die Bewegung nicht auch dort verortet werden? Zwar ist der Körper unbewegt, es wird dieses Buch gelesen, aber im Kopf... passiert etwas. 
Transzendenz, my favourite word. Sich überschreiten und neues Schaffen. Kinderkriegen, bewegt werden, nachdenken, quatschen, sehen. Und es geht auch über's Internet. Denn nicht überall wird die unvermittelte, aber doch so vermittelte Bewegung des Körpers gebraucht. Die Virtualität des Internets ist das Gute, das Neue, jedenfalls der Raum dafür. Es muss nicht in die alte Realität der gelebten, nachgelebten bewegenden Ideologien zurückgekehrt werden. Auch wenn die dort neu geschaffene Realität vieles fortführt, verstärkt und verbreitet. 
Doch eins kann mit dem Körper: Spüren. Nein, Emotionen werden genauso auch virtuell eingeleitet. Kontakt zu Menschen hat man dort, Beziehungen, sieht die Körperoberfläche durch Fotos - aber spürt sie nicht.

Montag, 5. Mai 2014

SCHOTTLAND | EDINBURGH | Affekt vs. Repräsentation, Transzendenz vs. #skyporn

#skyporn hab ich letztens kennen gelernt. Ist was dran.
Sehenwürdigkeiten sind häufig Orte des Sehens selbst: Der Überblick, der City Sight View, das Stadtpanorama. Der erhöhte Ort, abseits. Ich laufe mit dieser Karte vom Reiseführer herum und will diese Stadt sehen. Von hier aus sieht die Stadt genau so aus wie auf der Karte, mit den großen Sehenswürdigkeiten, die sich vom Häusermeer groß abheben. Ich besuche nicht die Menschen, wie denn auch. Was mich anspringt, sind die großen Gebäude. Schon hab ich die Stadt im Griff.
und dann gibt es da diesen calton hill in edinburgh, einen ort, wo alles fotografierbare vereint ist. Das Stadtpanorama, imposante Bauwerke, pittoreske Ruinen, Burgen, Säulenbauten. Als wäre man an ganz vielen historischen europäischen Orten gleichzeitig. Umgeben von Silhouetten.
Was macht man hier? Fotos. Was auch sonst, wenn ein Motiv hier das nächste aussticht...
Aber eins darf man nicht vergessen: it's an amazing view. Und hier vermischt sich eins: wenn Populärkultur, die im Tourismus ihre schlimmsten Ausformungen findet, den Blick zweidimensional durch die Kameralinse oder den Sucher verstellt, den Touristen nur vor-gesehenes knipsen lässt und die Umgebung als eine Kulisse abarbeitet, dann ist da trotzdem noch dieser Raum. Und der ist weit.
Fotografieren ist nicht nur etwas abknipsen, mitnehmen, etwas zwischen sich und die Welt schieben.
Der Städteblick - romantisch, wow, wie groß die Stadt ist. Dort ist mein Ho(s)tel, dort ist das Schloss, dort das Museum. Wo ist die Einkaufspassage? Und dort geht's  zum Meer, dort drüben ist dieser Hügel. Wunderschön. Tourismus auf Aussichtsplattformen betreiben Strukturalismus, sagt Roland Barthes (in: der Eiffelturm). Sie entziffern. Um sich das Gesehene anzueignen. So einfach ist es, Tourist/in zu sein! Aber. Es bleibt nichts als der Abgleich mit der Stadtkarte.
Am Ort sein, sitzen, genießen. Und das Foto wird schön, #skyporn wird's auf Instagram, weil die anderen ja auch immer solche Bilder posten. Trotzdem wurde früher mal von Tranzendenz geredet. Aber diese Bilder aus der Romantik, Caspar David Friedrich und so, haben wir ja vorhin im Museum gesehen.