Sonntag, 3. April 2011

D | BERLIN | gesehenes Berlin - seeing seen sights

In dem Kapitel "über Erwartungen" seines Buches "Die Kunst des Reisens" schreibt Alain de Botton: " ...In den zwei Monaten zuvor hatte ich, wenn ich an die Insel dachte, stets drei unverrückbare innere Bilder vor Augen, die sich beim Lesen besagter Broschüre und des Flugplans eingestellt hatten. Das erset zeigte einen Strand imt einer Palme bei Sonnenuntergang, das zweite einen Hotelbungalow, dessen bodentiefe Glastüren den Blick auf einen Raum mit Parkett und weißem Betttuch freigaben, das dritte einen azurblauen Himmel."

Es gibt bestimmte Reiseziele, von denen man ein ganz stereotypes Bild im Kopf hat. Sei es, weil eine bestimmte Attraktion ein Symbol für eine Stadt, sogar einen ganzen Staat ist und deswegen unheimlich oft wiederholt wird, um als "Knopf" sofort "Berlin" oder "Deutschland" oder auch Touristenkrams auszulösen - oder, wie de Botton schreibt, Prospekte mit immer gleichen Motiven die Vorzeigesehenswürdigkeiten hervorheben. Alain de Botton geht es in seinem Beispiel darum, dass dieses Bild existiert, aber dann durch die Begleitumstände (Baustellenlärm, Reisegruppenzickereien, Regen etc.) verschleiert werden und in Wahrheit viele Details die Reise ausmachen und das Prospektbild ein unerlebbarer AUSschnitt ist.
Mir geht es darum: bestimmte Reiseorte bereist man, um sie "auch" und "in echt" gesehen zu haben, weil man kaum etwas anderes sieht, als auf hunderten Bildern und diese meist auch noch einen gewaltigeren Eindruck ermitteln.
Das Brandenburger Tor ist nun wirklich auch so ein Reiseziel - man ist davor nur einer von vielen Touristen, die aus gleicher Perspektive ihr Foto schießen. Dieses oben ist von mir - auch wenn es nicht mein "ich war auch dort" beweisen kann, da ich nicht drauf bin, aber das wäre nicht mal mehr ein typisches Prospektfoto, sondern ein typisches Touristenfoto - was noch schlimmer ist, da es hier um Individualität geht, die absolut konform daregestellt ist. Das schlimmste Paradoxon.

von 2009 - da war ich das erste Mal "Sights abklappern" oder sogar "Seens"?
Man kann die absolut gewohnten Motive aus ungewohnter Perspektive etc. aufnehmen - das ist gerade dadurch gut, weil es den Sehgewohnheiten wiederspricht. Jeder, der die Überflutung mit dem Standardmotiv miterlebt hat, liest sofort, dass es eine Gegenwendung ist (nehme ich jetzt mal an). Aber das ist wirklich sehr schwer. Viele fotografieren dann zwischen zwei Bäumen hindurch etc. Eigentlich ekelt es mich aber vor den Sachen, die JEDER gleich fotografiert. Gestern war ich in Hamburg und habe auf einer Brücke in der Speicherstadt Details der Schrauben etc. aufgenommen. Während der Zeit standt immer wieder jemand neues mit einer fetten digitalen Spiegelreflexkamera (wie ich auch, hehe) neben mir - und drückte ganz wichtig tuend von immer der gleichen Stelle, wahrscheinlich gleichen Ausschnitt und sichtbar gleiches Motiv (Fluss mit Häusern) ab.
Auch von mir. Fisheye und HDR als etwas "Ungesehenes" dabei einzuordnen, kann ich aber auch nicht erwarten.
In letzter Zeit beschäftige ich mich gerne mit Sehgewohnheiten. Mit meinen BERLIN-Post hier, habe ich schon versucht, meine Fotos von der Reise durch ein ungewöhnliches Format (hyperpanorama sozusagen) nicht so typisch aussehen zu lassen (Wer will schon eine Reise gereist haben, die andere auch schon gemacht haben.). (Das hier ist natürlich das Gegenteil!). Indem ich mich mit analoger Fotografie und somit der unkontrollierten Produktion von Fotos, die zufällige, ungewöhnliche Ergebnisse liefern und durch das Medium das einzelne Foto aufwerten, beschäftigt habe, versuche ich in letzter Zeit immer mehr, mich dagegen zu wehren, dass man massenweise Fotos aufnehmen kann und kaum eines davon besonders ist. (Was auch daran liegt: Mir wurde im Januar mein Laptop gestohlen und mit ihm Fotos von fast einem halben Jahr - mit analogen Fotos ist das nicht so einfach. so verliert man das Vertrauen.).
Aber auf Gegenbewegung folgt Gegenbewegung: Das eine Mal mit analog gegen die stereotypen Bilder, das andere Mal versuche ich digital, mit HDR usw. die Massenprospekt-Fotos nachzumachen (wie hier.).
Letztendlich ist alles eine Technik, die man sich aneignen muss, wenn man sich mit Fotografie beschäftigt.
Auch ein HDR-Bild mit Motiv "Berlin" - Architektur-Sehenswürdigkeit

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