An einem töften Towson-Tag durften wir Material Girls Cathryn, die Tanz- und Performance-Dozentin
der Musiker_innen, begleiten. Zuerst hieß es Major Ballet class - einfach nur wow! ;-)
Beeindruckende Schülerinnen, ein lebendiger und so positiver anteilnehmender Lehrstil und unübliche musikalische Begleitung - ein Percussionist hat die Stunde mit wohligen Klängen und abwechslungsreichen Rhythmen live begleitet und damit mehr als gut das sonst gebräuchliche Klavier ersetzt.
Cathryn begründete ihre Vorliebe für die Percussionbegleitung mit der erdigen ehrlichen Klangfarbe damit, dass der Rhythmus und Klang der Trommel die Schülerinnen ihrem Selbst im sich bewegenden Körper näher kommen. Die Schellen schaffen durch staccatoartige Betonungen nuancierte Bewegungsabläufe.
Die Schülerinnen dieser class sind fortgeschrittene Tänzerinnen und scheinen ein für mich unvorstellbares Körpergefühl zu haben: Beine heben mit geöffneter Hüfte um Verkrampfungen vorzubeugen, Bewegungsrichtung denken, Ausdruck reinlegen.. Sie wissen genau was sie tun. Für meine Augen waren das abenteuerlichste Verrenkungs-Bewegungen, ausgeführt mit konzentrierten und fokussierten Gesichtern, in hingebungsvoller Perfektion und scheinbarer Leichtigkeit..
Da haben wir auf unserer Zuschauertribüne gleich Lust bekommen uns selbst in solch elegante Bewegungen zu begeben..
Beidseitiger Applaus. Thanks for having you here. Thanks for having US..
Kaum war der Mitmachgedanke geboren wurde er in die Tat umgesetzt: wir durften aktiv an einer Modern Dance class teilnehmen. Hier fanden sich Studienanfängerinnen von Tanz und Performance, mit denen wir von einer Gastdozentin und dem Dozent Vince und wieder einem Percussionteam begrüßt wurden.
Die Dozentin, eine eher kleine schmale Frau gesetzteren Alters mit wuseligen Haaren und tänzerischen Bewegungen, eröffnet die Stunde, in dem sie die im großen Kreis Stehenden auffordert, nacheinander den Namen zu sagen. Das geschieht mit steigender Geschwindigkeit ringsum und sie fragt, wie sich das Gefühl verändert hat. Etwas verdutzt antworten einige Studierende, es sei eine angenehmere Atmosphäre entstanden, man kenne jetzt die Namen, habe schon einmal jede Stimme gehört, Blicke ausgetauscht.
In der zweiten Runde sollten eine beliebige Farbe oder ein Tier gesagt werden - es ging ringsum und wieder stellte sie die Frage nach dem Gefühl. Etwas Entscheidendes hatte sich verändert: die Studierenden waren aufgeregter als vorher, was drückte die gewählte Farbe oder das Tier, das man wählte über einen aus? Man wollte sich nicht wiederholen, Einzigartigkeit und Kreativität beweisen..
Die nächste Übung ließ die Dozentin zu meiner Freude nur für einen kurzen Moment laufen: nacheinander sollten die Studierenden eine Bewegung vormachen, die der ganze Kreis nachahmen sollte: meine Güte, war ich nervös und dann hat eine vor mir doch tatsächlich die Bewegung gemacht, die ich mir zurecht gelegt hatte..
Erneut wurde zur Reflexion aufgefordert: was können wir eigentlich? Aufmerksam beobachten und reagieren, folgen, nachahmen, das Gesehene auf unseren Körper übertragen, Eigenheit in die Bewegung hineinlegen, Ausdruck, Körperspannung..
Es folgten weitere ähnliche Übungen, die die Studierenden jedoch in den Raum verstreuten. Ich war beeindruckt von der Vielseitigkeit der aufkommenden Bewegungen, doch besonders von der geforderten Körperreflexion. Ich fühlte mich als deutsche Studentin der Materiellen Kultur wahnsinnig auffällig: zwar zugewandt, aber doch eher steif, nicht fähig auf ein Repertoire von tänzerischen Bewegungen zurück zu greifen.. ich dachte an mich in lesende Pose als Körperwissen aus dem Studium! Über den eigenen Schatten zu springen und einfach mitzumachen war für mich das schwierigste.
Ähnlich wie bei der Major Ballet class sind die Studierenden auch beim Modern Dance aufgefordert, sich und ihren Körper zu reflektieren und Bewegungen Ausdruck zu verleihen und als Ausdrucksmittel zu verstehen, Bewegungen aus sich heraus zu generieren.
Eine weitere Erfahrung wirklichen Körperwissens bot sich uns in der Gesangstunde von Katie, der wir beiwohnen durften. Gespannt saßen wir wieder als Zuschauerinnen am Rand und beobachteten die Szene: die Gesanglehrerin Terri am Klavier in ihrem mit Teppich ausgelegten Büro und Katie aufrecht und konzentriert hinter ihrem Notenpult schräg vor dem Klavier.
Bisher hatten wir Katies Stimme als tief und kräftig erfahren und waren umso beeindruckter, als sie zwar ebenso kraftvoll, doch um einige Oktaven höher zuerst ein französisches und dann ein deutsches Lied sang.
Richtungen denken, Mund formen.. für uns kaum bis gar nicht hörbare Unterschiede wurden intensiv bearbeitet.
Nach einer halben Stunde kam eine Pianistin dazu, so dass Terri sich voll auf die Technik konzentrieren konnte.. wir staunten!
An diesem Tag habe ich den Körper als Arbeitsmaterial und Kapital ganz anders begreifen gelernt.
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