Oh dieses Essen! Ich habe ein schönes Leben voller Genuss.
Ja, mein Alltag ist gerade ziemlich grau - das Wetter ist nur manchmal gut und mein Wohnviertel ist irgendwie auch... grau und trocken. Und nichts mit aufregenden Aktivitäten. Meine Körperhaltung: relativ statisch, bewegen tun sich nur Finger und Hände, Augen und der Kopf: Sitzen, schreiben, lesen. Der große Mythos der Ferien im Student_innenleben, die vorlesungsfreie Zeit, heißt die kontaktfreie Zeit des Hausarbeitenschreibens.
Keine großen Anlässe zum Fotografieren und stolz zeigen: denn das macht man ja generell von den besonderen Momenten, der neuen Frisur, dem neuen Zimmer, dem neuen Ort an dem man sich befindet. Instagram bezeugt einem selbst, das man ein volles Leben hat.
Was tun, wenn man keine Zeit hat? Na ja nichts. Aber ganz ohne Pausen kann man ja auch nicht leben. Denn zwischendurch: Bett, Küche, Badezimmer. Schlafen, Essen, Stoffwechsel. Das strukturiert den Tag doch. Der einzige Grund vom Schreibtisch aufzustehen: die Blase oder der Magen. Schlafen ist eingeplant, das Koffein der Getränke auf dem Schreibtisch hilft, keine ungeplanten Einschübe zu machen. Wenn man zelebrieren will, dann bei der Grundbedürfnisbefriedigung. Schlafen ist immer Luxus, Badezimmer will man nicht inszenieren, denn ein Badezimmer-Selfie wird auch nur nach auftakelndem Styling gemacht, mich im Schlafanzug mit Strubbelfrisur will auch niemand sehen. Aber verschwinden will ich nicht, ich lebe, ich genieße, deswegen: keine Tiefkühlpizza, obwohl die auch Likes bei Instagram geben würde, der Antikalorienzählerexzess, hübsche besondere Speisen, angerichtet. Ich jedenfalls habe in den letzten zwei Monaten Schreibezeit bestimmt 20 Essenstellerbilder auf meinem Handy gesammelt. Den das Klicken auf den Auslöseknopf manifestiert den Genuss.
So ein bisschen bunt in den Alltag bringen, ja macht Spaß. Und der Genuss ist ja auch nicht zu verleugnen. Und die ganze Kochzeit, da kann man ein bisschen nachdenken. Diese Erdbeeren, die garnierenden Tomaten - Farbklekse, die den Eintopf auf dem Foto toll wirken lassen. Wenn ich bei schönem Wetter auf dem Balkon sitze und von dort aus lese, fällt mir immer auf, wie buntes gerne aus dem Alltag abheben soll: Kleidung wird ja gerne schwarz, grau, unauffällig gehalten. Das bunte Essen ist wie diese ganzen leuchtend neonfarben-kombinierenden Nike Free, Air Max 1 und was es sonst noch so gibt, die mich aus meinem Lesealltag aufschauen lassen, weil sich in der grauen Masse des Anblicks meines Viertels plötzlich etwas buntes bewegt. Los, zeigt euch! Foodporn auf Instagram, Sozialprestige für Zwischendurch.Trotzdem - Pausenzeit - kann man auch anders füllen, denn allein muss man keine Essensparty feiern...
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