Donnerstag, 10. April 2014

SCHOTTLAND | EDINBURGH | girls dormitory


Dass das Private politisch ist, weiß man nicht nur in der feministischen Theorie, auch allgemeiner in den Sozialwissenschaften. Nur zu häufig ist das Private auch öffentlich. Damit meine ich nicht ein bestimmtes soziales Netzwerk oder bestimmte Meldungen, Skandale, die da gerade so angezeigt werden.
Zu Hause, da ist man gewöhnlich unbeachtet, macht sich fertig für draußen, für die Öffentlichkeit oder ruht sich davon aus. Was ist zu Hause? Einfach in Innenräumen, wo man sich eben - ausruht, schläft und sich fertig macht, wo seine Sachen gelagert sind?
Dann ist ein Hostel zu Hause. Dort bin ich gerade mal wieder - Grüße aus Edinburgh - oder EdinBRA, wie es hier doch meist ausgesprochenwird, das bra wirklich ausgesprochen wie das englische Wort für BH.
und das gibt es hier tatsächlich, Unterwäsche. Im girl's domitory, im 12er-Mädchen-Schlafsaal können WIR uns ungestört, nicht so wie im mixed dorm mit Männern, breitmachen. 
Es ist so wie in Frauentoiletten, wo alle, auch die sich fremdesten, plötzlich alles voreinander machen: sich beim Schminken das Gesicht verziehen, sich offensichtlich und eitel im Spiegel bewundern oder trotz eigentlich aus dem Leben ausgeklammerter Pinkelgeräusche über das Liebesleben reden. Wenn Wände, die nur Sichtschutz sind, scheinbar alle Ohren außer der Gesprächspartnerin ausblenden, so wie Zeltwände bei Festivalnächten. 
Nur, weil eine Kategorisierung von Menschen stattfindet, das andere Geschlecht innerhalb dieser wichtigsten Zweiteilung ausgeschaltet wird, entsteht plötzlich ein privater Raum. So privat, dass ich selbst herumlaufen und alles mit Blitz fotografieren kann.
Ist Öffentlichkeit das Zusammentreffen der Geschlechter? Familie - die Anderen, Bekannte - Fremde, irgendwas? Weiblichkeit scheint eine so starke Gemeinschaft zu sein, dass wir alle gleich eine Freundschaftsübernachtungsparty schmeißen.
Und dann werde ich aufdringlich. Ich stöbere. Nicht mit den Händen, sondern mit der Kamera. Süß ist das! Was hat sie denn hier?
Tomatengesichtstücher? Für mich völlig unverständlicher Werbezusammenhang. Und dann wird wieder was klar: Was finde ich da interessant, befremdlich? Das Fremde natürlich. Besonders die öffentlichen Dinge asiatischer "Mitbewohnerinnen" haben es mir angetan. So werde ich zu Spionin, die äußerst gespannt Alltagsdinge entdeckt. Ist das privat?
Irgendwie typisch, was man sich so im Urlaub kauft. Süßigkeiten und reduziertes.
Jetzt fang ich schon an, in Mülleimern zu wühlen!
Unsere Betten sind übrigens immer mit so kleinen Schildchen gekennzeichnet. Ich bin Mr. Jelly.
MISTER? Das wär's mit der Weiblichkeit. Aber lustig ist es ja. Und ich beobachte heimlich beim Wäscheaufhängen. Was für ein Geheimnis!
Jealous? Jelly-ous? Ich bin auf jeden Fall Ms. Happy durch meine Ausguckerei. Da ich selbst plötzlich auch das panoptische Auge auf mir spürte, räumte ich alle meine Sachen schön unter meine Bettdecke. Unsichtbar? Privat? Nein - ich wusste nach meiner ersten Nacht noch nicht, dass jeden morgen die Betten gemacht werden. Alle meine Sachen lagen danach schön öffentlich neben dem Bett auf einem Haufen. Schön öffentlich. Aber gewisse kleinere Dinge lagen unter dem großen Schlafanzug, da hat wohl jemand für mich nach privatem kategorisiert und für mich nach Sichtbarkeit sortiert. Wie nett!

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