Sonntag, 25. November 2012

D | LEIPZIG | Werbung

Die schöne Frau.

Freizeit - ein guter Grund, um Bücher zu lesen. Bei mir ist es gerade "Beim nächsten Mann wird alles anders" von Eva Heller. Wunderbare Identifikations- und Projektionsfigur die Protagonistin, für mich, und deshalb, ein kleiner Auszug aus dem Buch: Hier muss die Ich-Hauptdarstellerin in der Werbeagentur, in der sie als Nebenjob arbeitet, Werbeanzeigen sortieren. Es geht um die Repräsentationsweisen von den Frauen, die in der Werbung dargestellt sind: "1. Hausfrauen, 2. Frauen in der Mutterrolle, 3. Die Frau als gleichberechtigte Partnerin im Beruf, 4. Frauen als sogenannte Sexualobjekte", außerdem noch "sonstige Frauen". Bei der Sortierung soll gezeigt werden, wie viele Werbeanzeigen übersexualisiert sind. Hier eine Szene, wo die Creativ-Direktoren der Firma anwesend sind:
 "Ich zeigte ihm vom Stapel 'Frauen als sogenannte Sexualobjekte' eine nackte Blondine an einem Computer un eine Brünette, die nur mit Büstenhalter bekleidet zwischen Herren im Maßanzug an einem Konferenztisch saß, und fragte ihn, ob er behaupten wolle, dies wären berufstätige Frauen. 'So wie Sie das machen, hat das keinen Sinn!' [...] Der Creativ-Direktor hatte eine Anzeige vom Stapel 'sonstige Frauen' genommen, auf der Anzeige sonnten sich zwei Schönheiten, es war eine Anzeige für tiefgefrorene Kartoffelpuffer, im Text unter dem Bild stand: 'eine schmackhafte Mahlzeit, die Sie ohne Arbeit zubereiten können.' Der Creativ-Direktor sagte: 'Die zwei Hasen da, das sind doch zwei schnuckelige Sekretärinnen in den Ferien, die tun Sie schön zu den berufstätigen Frauen.' Dann wollte er wissen, warum ich die Anzeigen, auf denen Frauen auf den Motorhauben diverser Autos posierten, nicht bei den berufstätigen Frauen eingeordnet hätte. Ich fragte, was diese Frauen denn arbeiten würden? Das könne er so konkret auch nicht sagen, aber diese Frauen seien doch so jung, da sein nicht anzunehmen, dass sie Hausfrau und Mutter seien, und wenn auf den Anzeigen nicht einmal ein Mann zu sehen ist, dann wäre doch eindeutig, dass diese Frauen für sich selbst sorgen müssten. 'Also sind diese Frauen berufstätig' schlussfolgerte Nr. 2. 'Ich schlage vor', fügte er hinzu, 'wir ordnen alle Frauen unter dreißig, die ohne Mann präsentiert sind, in die Kategorie 'berufstätige Frau''. 'Das ist logisch' befand der Creativ-Direktor. 'Ich kann mir nicht vorstellen, was diese Dame hier beruflich macht', sagte ich und zeigte auf eine, die in einem Kahn auf mondbeschienenem See herumgondelte und dabei ein Abendkleid aus Spitze trug. "Die ist Fotomodell von Beruf', sagte der Creativ-Direktor schlau, und Nr. 2 lachte sich tot. 'Einwandfrei eine berufstätige Frau.'" (das oben erwähnte Buch, S. 279f. Ausgabe von 1987 aus dem Fischer Verlag.)
Worum geht es mir? Um Repräsentationen. Und das, was Repräsentationen sind und wie das missverstanden wird. Das sind Projektionen, Ideale. Flüchtig, und scheinen so real wie eine Statue. Purer Schein, Schatten. Trotzdem: Irgendwas passiert da bei der Betrachtung. Sie werden in die Welt projiziert, man verwechselt Norm und Ideal, irgendwas verschiebt sich da. Und die universale Betrachter wird konstruiert, der Mann, der alles als natürlich sieht. Kann nicht schauen, dass er die komplette Konstruktion vor sich hat. Und warum nicht? Weil das alles funktioniert und so leicht Spaß macht.
(Fotos so einigermaßen nachts in Leipzig aufgenommen.)
(und deshalb liebe ich Lady Gaga, weil sie zeigt, wie sie konstruiert ist und ihre Person dahinter vollkommen verloren geht).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen